Mon. Oct 13th, 2025
Wie Sie blinde Flecken identifizieren – Ein praxisorientierter Leitfaden

In meinen zwanzig Jahren als Unternehmensberater habe ich eines immer wieder beobachtet: Die erfolgreichsten Führungskräfte sind nicht diejenigen ohne Schwächen, sondern jene, die ihre blinden Flecken kennen und aktiv angehen. Blinde Flecken zu identifizieren ist keine theoretische Übung aus dem MBA-Programm – es ist eine praktische Notwendigkeit, die über Erfolg oder Misserfolg entscheiden kann. Ich erinnere mich an einen Kunden, dessen Unternehmen trotz innovativer Produkte stagnierte, weil er einfach nicht sehen wollte, dass sein Führungsstil das Team lähmte.

Die Realität ist: Wir alle haben blinde Flecken. Sie entstehen durch kognitive Verzerrungen, persönliche Erfahrungen und die Art, wie unser Gehirn Informationen filtert. Was uns in der Vergangenheit erfolgreich gemacht hat, wird oft zum größten Hindernis für zukünftiges Wachstum. Die Frage ist nicht, ob Sie blinde Flecken haben – die Frage ist, wie systematisch Sie daran arbeiten, diese zu entdecken.

Dieser Leitfaden basiert nicht auf akademischer Theorie, sondern auf konkreten Erfahrungen aus Hunderten von Projekten. Ich zeige Ihnen acht bewährte Methoden, wie Sie Ihre blinden Flecken identifizieren können – Methoden, die in der Praxis funktionieren, nicht nur auf dem Papier. Lassen Sie uns direkt einsteigen.

360-Grad-Feedback systematisch nutzen

Hier ist, was ich in der Praxis immer wieder sehe: Unternehmen führen 360-Grad-Feedback-Runden durch, aber die Ergebnisse landen in einer Schublade. Das ist verschwendetes Potenzial. Wenn Sie blinde Flecken identifizieren wollen, brauchen Sie mehr als nur Feedback – Sie brauchen ein System, um damit umzugehen.

In meiner Zeit als Führungskraft habe ich gelernt, dass das Timing entscheidend ist. Führen Sie 360-Grad-Bewertungen nicht nur jährlich durch, sondern etablieren Sie kontinuierliche Feedback-Schleifen. Ich empfehle, vierteljährlich kurze Pulse-Checks durchzuführen, bei denen spezifische Verhaltensweisen abgefragt werden. Die Frage “Wie gut kommuniziere ich?” ist zu vage. Stattdessen: “Gebe ich klare Prioritäten vor?” oder “Höre ich aktiv zu, bevor ich Entscheidungen treffe?”

Was funktioniert: Anonymität ist wichtig, aber noch wichtiger ist die Nachbereitung. Ich habe mit einem Klienten gearbeitet, der nach jedem Feedback-Zyklus Einzelgespräche führte, um konkrete Beispiele zu verstehen. Das hat mehr gebracht als jeder standardisierte Fragebogen. Die harte Wahrheit ist, dass Menschen oft nicht direkt sagen, was sie denken – Sie müssen zwischen den Zeilen lesen lernen.

Ein praktischer Tipp: Achten Sie auf Muster, nicht auf Einzelmeinungen. Wenn drei verschiedene Personen unabhängig voneinander ähnliche Punkte ansprechen, haben Sie wahrscheinlich einen blinden Fleck gefunden. Ich empfehle, die Ergebnisse in einer Matrix zu visualisieren: Was sehe ich bei mir selbst versus was sehen andere? Die Diskrepanzen sind Ihre blinden Flecken.

Datenanalyse statt Bauchgefühl

Look, ich bin ein großer Fan von Intuition – aber nur, wenn sie durch Daten validiert wird. Einer der größten blinden Flecken in der Geschäftswelt ist die Überzeugung, dass Erfahrung ausreicht. Ich habe das selbst erlebt: 2019 war ich überzeugt, dass ein bestimmter Marketingkanal nicht funktioniert. Die Zahlen haben mir das Gegenteil bewiesen.

Blinde Flecken zu identifizieren bedeutet, Ihre Annahmen regelmäßig mit harten Daten zu konfrontieren. Etablieren Sie Key Performance Indicators (KPIs), die Ihre persönlichen Schwachstellen beleuchten. Wenn Sie denken, Ihr Team ist produktiv, messen Sie tatsächliche Output-Metriken. Wenn Sie glauben, Kunden sind zufrieden, schauen Sie sich Churn-Raten und Net Promoter Scores an.

Was ich in den letzten Jahren gelernt habe: Die wichtigsten Erkenntnisse kommen oft aus Daten, die niemand regelmäßig anschaut. Ich arbeite mit Unternehmen, die Dashboards haben, aber nur die grünen Zahlen betrachten. Die roten Zahlen – da liegen die blinden Flecken. Erstellen Sie einen monatlichen “Reality Check Report”, der genau die Metriken enthält, die Ihre Annahmen infrage stellen.

Ein konkretes Beispiel: Ein CEO dachte, seine Führungskräfte seien effektiv. Die Mitarbeiterfluktuation nach Abteilungen zeigte ein ganz anderes Bild. Zahlen lügen nicht – Menschen schon, besonders wenn sie sich selbst bewerten. Investieren Sie in Analytics-Tools und lernen Sie, die Daten zu interpretieren, nicht nur zu sammeln.

Peer-Gruppen und externe Perspektiven

Hier ist etwas, das niemand gerne zugibt: Je höher Sie in einer Organisation aufsteigen, desto weniger ehrliches Feedback bekommen Sie. Das ist nicht böswillig – es ist menschlich. Menschen haben Angst, dem Chef die Wahrheit zu sagen. Deshalb brauchen Sie externe Perspektiven, um blinde Flecken zu identifizieren.

Ich bin seit 2015 in einer Peer-Advisory-Gruppe, und das war eine der besten Entscheidungen meiner Karriere. Diese Gruppe – bestehend aus Führungskräften außerhalb meiner Branche – gibt mir ungefilterte Rückmeldungen. Niemand hat eine politische Agenda, niemand will etwas von mir. Das schafft einen Raum für brutale Ehrlichkeit.

Die Realität ist: Ihre Kollegen und Mitarbeiter sehen Sie durch einen bestimmten Filter. Externe Berater, Mentoren oder Peer-Gruppen haben diesen Filter nicht. Sie können fragen: “Warum machen Sie das so?” und Sie müssen eine Antwort finden, die nicht “Das haben wir schon immer so gemacht” lautet. Oft reicht schon diese Frage, um einen blinden Fleck aufzudecken.

Ein praktischer Ansatz: Organisieren Sie vierteljährliche “Challenge Sessions” mit Personen außerhalb Ihres Unternehmens. Präsentieren Sie eine Strategie oder ein Problem und bitten Sie um kritische Analyse. Ich habe gesehen, wie Unternehmen durch solche Sessions Jahre sparen, weil externe Experten sofort sehen, was intern übersehen wurde. Der Schlüssel ist, Menschen auszuwählen, die nicht nur nicken, sondern aktiv hinterfragen.

Selbstreflexion mit Struktur

Lassen Sie mich direkt sein: Spontane Selbstreflexion ist nett, aber meist ineffektiv. Um blinde Flecken wirklich zu identifizieren, brauchen Sie strukturierte Reflexionsprozesse. Ich habe jahrelang gedacht, ich würde genug nachdenken. Dann habe ich begonnen, meine Reflexion zu systematisieren – und plötzlich tauchten Muster auf, die ich vorher nie gesehen hatte.

Was funktioniert in der Praxis: Führen Sie wöchentliche “After Action Reviews” durch. Nehmen Sie sich 30 Minuten Zeit, um drei Fragen zu beantworten: Was lief gut? Was lief schlecht? Was würde ich anders machen? Aber – und das ist entscheidend – schreiben Sie es auf. Ihr Gehirn wird versuchen, unangenehme Wahrheiten zu verdrängen. Geschriebene Worte tun das nicht.

Ich verwende seit Jahren eine einfache Technik: die “Pre-Mortem-Analyse”. Bevor ich eine wichtige Entscheidung treffe, stelle ich mir vor, sie ist spektakulär gescheitert. Warum? Welche Faktoren habe ich übersehen? Diese Übung zwingt mich, meine Annahmen zu hinterfragen und Risiken zu sehen, die ich sonst ignorieren würde. Es ist unbequem, aber genau deshalb funktioniert es.

Ein konkreter Tipp: Nutzen Sie das Johari-Fenster-Modell als Framework für Selbstreflexion. Es hilft, zwischen dem zu unterscheiden, was Sie über sich wissen, was andere wissen, und dem, was niemandem bewusst ist. Dieser strukturierte Ansatz verhindert, dass Reflexion zu einer selbstgefälligen Übung wird. Die harte Arbeit liegt darin, ehrlich zu den Bereichen zu sein, die andere sehen, Sie aber nicht.

Verhaltensänderungen durch Experimente

Hier ist eine Wahrheit, die ich gelernt habe: Man kann über blinde Flecken lesen und reden, aber echte Erkenntnisse kommen durch Handeln. Ich empfehle meinen Klienten immer, kleine Experimente durchzuführen, um Annahmen zu testen. Wenn Sie denken, Ihr Kommunikationsstil ist klar, ändern Sie ihn für zwei Wochen radikal und schauen Sie, was passiert.

Ein Beispiel aus meiner eigenen Erfahrung: Ich hielt mich für einen offenen Kommunikator. Dann habe ich vier Wochen lang ausschließlich in Fragen kommuniziert statt in Anweisungen. Das Ergebnis war aufschlussreich – mein Team fühlte sich plötzlich viel stärker eingebunden, weil ich ihnen Raum für eigene Lösungen gab. Ich hatte einen blinden Fleck: Ich diktierte, ohne es zu merken.

Was in der Praxis funktioniert: Definieren Sie konkrete Verhaltensexperimente mit klaren Hypothesen. “Ich glaube, dass X passiert, wenn ich Y ändere.” Führen Sie das Experiment durch, messen Sie die Ergebnisse, und ziehen Sie Schlüsse. Das ist viel effektiver als theoretische Selbstanalyse. Die Realität zeigt sich im Tun, nicht im Denken.

Ein weiterer Ansatz: Bitten Sie jemanden aus Ihrem Team, Sie für eine Woche zu “shadowing” – Sie zu begleiten und zu beobachten. Dann lassen Sie diese Person berichten, was sie gesehen hat. Es ist unangenehm, aber Sie werden Dinge über sich selbst lernen, die Sie nie durch Selbstreflexion entdeckt hätten. Ich habe das zweimal gemacht, und beide Male war es transformativ.

Psychologische Assessments und Persönlichkeitstests

Look, ich war lange skeptisch gegenüber Persönlichkeitstests. “Das ist doch nur Pop-Psychologie”, dachte ich. Dann habe ich ein umfassendes MBTI-Assessment gemacht, gefolgt von einem DISC-Profil und einem Hogan-Assessment. Die Kombination dieser Tools hat mir blinde Flecken gezeigt, die ich jahrelang ignoriert hatte.

Die Wahrheit ist: Diese Assessments sind nur so gut wie Ihre Bereitschaft, die Ergebnisse ernst zu nehmen. Ich habe mit Führungskräften gearbeitet, die die Tests machen und dann die unangenehmen Teile ignorieren. Das bringt nichts. Der Wert liegt nicht in der Bestätigung dessen, was Sie schon wissen, sondern in den Überraschungen.

Was ich empfehle: Nutzen Sie mehrere Assessments, nicht nur eines. Jedes Tool beleuchtet andere Aspekte Ihrer Persönlichkeit und Ihres Verhaltens. Der MBTI zeigt Ihre grundlegenden Präferenzen, das DISC-Profil Ihren Kommunikationsstil, das Hogan-Assessment Ihre Derailer unter Stress. Zusammen ergeben sie ein vollständiges Bild.

Ein praktischer Tipp: Lassen Sie die Ergebnisse von einem qualifizierten Coach interpretieren. Die Selbstinterpretation führt oft zu Bestätigungsverzerrungen – Sie sehen, was Sie sehen wollen. Ein erfahrener Coach wird Sie auf die Diskrepanzen hinweisen zwischen dem, wie Sie sich sehen, und dem, was die Tests zeigen. Genau dort liegen Ihre blinden Flecken. Investieren Sie in professionelle Debriefings, nicht nur in die Tests selbst.

Kundenfeedback als Spiegel nutzen

Hier ist etwas, das ich in meiner Laufbahn immer wieder gesehen habe: Unternehmen sammeln Kundenfeedback, aber verwenden es nur für Produkt-Verbesserungen. Dabei ist Kundenfeedback einer der besten Indikatoren für organisatorische blinde Flecken. Ihre Kunden sehen Dinge, die Sie intern nie bemerken würden.

Ich arbeite mit einem Unternehmen, das stolz auf seinen Kundenservice war. Die Feedback-Daten zeigten jedoch, dass Kunden sich oft im Kreis gedreht fühlten, weil verschiedene Abteilungen nicht miteinander kommunizierten. Das Management hatte diesen blinden Fleck nie gesehen, weil intern jede Abteilung dachte, sie macht ihren Job gut. Der Kunde sah das Gesamtbild.

Was funktioniert: Gehen Sie über Umfragen hinaus. Führen Sie qualitative Interviews mit Kunden –

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